Ein Theater mit vielen Benefits
Erzieher*innen arbeiten an einem magischen Puppenspiel
„Ich habe mich nicht als Schauspielerin auf der Bühne gesehen und stand der Idee, ein eigenes Musiktheater zu entwerfen, sehr skeptisch gegenüber“, gesteht Viktoria Palnau. Doch: „Ich habe meine Meinung geändert.“ Die angehende Erzieherin aus dem Unterkurs am Kolping-Sozial-Berufskolleg Delbrück sieht in dem Theaterprojekt, das einmal wöchentlich für drei Schulstunden auf dem Stundenplan steht, inzwischen viele Benefits für ihre Ausbildung. Der Kurs befindet sich auf der Zielgeraden für die Aufführung seines magischen Puppentheaters „Geheimnis der zwei Welten“. In der letzten Schulwoche vor den Sommerferien sollen die Mädchen und Jungen der benachbarten Grundschule vor dem überdimensionalen Kamishibai Platz nehmen. Mitfiebern können sie beim Ausflug von Xam, dem neugierigen und tollpatschigen Eichhörnchen, und Inell, der kleinen und vorsichtigen Fee, in die Schattenwelt.
Ein überdimensionales Kamishibai hat der Erzieherunterkurs als Kulisse für seine Puppentheater-Protagonisten Xam, das Eichhörnchen, und Inell, die Fee, gewählt. Begleitet wird das Projekt unter anderem durch eine Managerin und eine "Dolmetscherin" für Gebärdensprache. Foto: Jana Sudhoff
„Die Puppen haben Heldenpotenzial. Die Kinder werden sie lieben“, prognostiziert Lehrer Robert Raddatz. Entworfen haben die angehenden Erzieher*innen ihre beide Protagonisten selbst. Dabei landete das Eichhörnchen aus purem Zufall im Plott, als ein realer Baumbewohner mit seinem buschigen Schwanz vor dem Klassenzimmerfenster die ganze Aufmerksamkeit auf sich zog. Ein Eichhörnchenschwanz wird auch in dem Puppentheater eine zentrale Rolle spielen.
Das i-Tüpfelchen der Produktion ist die Musik. Wird’s auf der Bühne melancholisch, spielt die „Musikerin“ des Kurses beispielsweise hinter den Kulissen den Soundtrack von „Forrest Gump“ am Klavier, schwingt Verärgerung im Stück mit, liefert „Star Wars“ die musikalische Untermalung.
Die Stärken der Einzelnen steuern das Projekt
Nicht nur das Drehbuch stammt aus der eigenen Feder, auch die Kulisse, die Hintergrundbilder und die Handpuppen sind selbst gestaltet. Puppenbauer- und spieler*innen, Musikerin, Grafikerin, Geschichtenschreiber*innen und -sprecherin, Gebärdensprachenübersetzerin und Managerin – alle greifen ineinander. Die Stärken der Einzelnen bestimmen, wie sich das Projekt entwickelt. Während im vergangenen Jahr die Akteurinnen selbst auf der Bühne standen und sangen, hat sich der neue Ausbildungsjahrgang für ein klavierbegleitetes Puppentheater entschieden. „Die Idee ist dieses Mal komplexer, weil sich die Geschichte in zwei Welten abspielt – der normalen Welt und in der Schattenwelt“, erklärt Robert Raddatz. Das bedeutet, dass eine eigene Bühne, in Form eines großen Kamishibai, gebaut werden musste.
Hier kann das Publikum vor den Sommerferien in die Puppenwelt eintauchen. Es gibt Lehrreiches zum Thema Freundschaft, aber auch Gags, die die Kinder zum Lachen bringen sollen. Bis dahin gilt es, die einzelnen Disziplinen zu perfektionieren und dann zu einem Ganzen zusammenzufügen. Eine große Herausforderung. Denn jede*r arbeitet in seinem eigenen Tempo und braucht unterschiedlich viel Zeit.
Der Weg ist das Ziel
Am Ende lockt das Hochgefühl, nach allen Höhen und Tiefen etwas aus eigener Kraft geschafft zu haben. Den großen Lerneffekt weiß auch Viktoria Palnau inzwischen zu schätzen, die das Team als Managerin unterstützt und unter anderem Eintrittskarten für die Grundschulklassen entworfen hat. „Das Theater bringt uns was für unsere Ausbildung.“ Es bietet einen guten Anlass, etwas Neues auszuprobieren, an dem man neue Fähigkeiten entwickeln und über sich hinauswachsen kann. „Wie gehe ich mit Misserfolgen um? Wie motiviere ich mich? Wie finde ich Lösungen für Probleme?“ Durch viele Absprachen, Teamwork, Rücksichtnahme profitiere auch der Zusammenhalt der Klasse von dem Theaterprojekt, berichtet Viktoria Palnau. Und schlussendlich bekommen sie und ihre Klassenkamera*innen das Rüstzeug, um später mit den Kindern oder Jugendlichen in den Einrichtungen Theater zu spielen.
„Interessanter als die Aufführung ist der Weg dorthin“, sagt Lehrer Robert Raddatz. Durch das Theaterprojekt lernen die Auszubildenden Mut zu entwickeln, Ausdauer zu beweisen und ein Gespür dafür zu entwickeln, wie aufwendig und zeitintensiv Projektarbeit ist. Der Auftritt auf der Bühne stärke zudem die Selbstwirksamkeit. „Sie erleben an sich selbst, wie gut das tut und wie gut es den Kindern tun wird“, beschreibt Robert Raddatz die wertvollen Erfahrungen. „Die Erfahrungen aus dem Musiktheater können ein großer Schatz werden für ihren späteren Berufsalltag.“