Eine inklusive Weltreise

Heilerziehungspfleger*innen luden Klient*innen zur Projektwoche

Da winkt die kleine Kinderhand zur Verabschiedung. Doch der Aufbruch wird unversehens unterbrochen, um doch noch einmal über das flauschige Fell zu streicheln. Erneutes Winken – erneutes Zögern, um dem Löwen ein letztes Mal die Tatzen zu schütteln. Der kleine Junge kann sich kaum losreißen von dem Kuscheltier. Die „Safari“ in Südafrika hat ihn in ihren Bann gezogen. Sie ist eine von drei Stationen der „Weltreise“, zu der der Heilerziehungsoberkurs (HEP) am Theresia-Gerhardinger-Berufskolleg (TGB) die Klient*innen seiner Kooperationspartner eingeladen hat. In ihrer Projektwoche begleiteten die angehenden Heilerziehungspfleger*innen ihre Gäste durch Frankreich, Südafrika und Brasilien und lebten dabei Inklusion pur. Unter den „Weltreisenden“ tummelten sich alle Zielgruppen aus der Heilerziehungspflege: vom Kitakind über Klient*innen aus Wohn- und Werkstätten bis hin zu Senior*innen – sowohl Menschen mit als auch ohne Behinderung.

Der HEP-Oberkurs hatte seine Gäste zur Safari in Südafrika, zu Tanz und Sportangeboten in Brasilien, ins Künstleratelier in Frankreich und zum Fotoshooting (auf dem Bild zu sehen sind Sozialassistent*innen) eingeladen. Der HEP-Oberkurs hatte seine Gäste zur Safari in Südafrika, zu Tanz und Sportangeboten in Brasilien, ins Künstleratelier in Frankreich und zum Fotoshooting (auf dem Bild zu sehen sind Sozialassistent*innen) eingeladen. Fotos: Jana Sudhoff

Das war auch die größte Herausforderung für die HEPler*innen bei der Planung ihrer Projektwoche – der krönende Abschluss des halbjährigen Unterrichtsschwerpunktes „Projektarbeit“. Es galt Angebote zu entwickeln, die für die ganze Bandbreite an Klient*innen möglich sind und gegebenenfalls je nach Bedarfen oder Behinderungsbild flexibel angepasst werden können. Eingeladen waren die Kooperationspartner – Lebenshilfe Höxter - Werkstätten und Kita gGmbH, bdks (Baunataler Diakonie Kassel), die Caritas Wohn- und Werkstätten (CWW), das Altenwohn- und Pflegeheim St. Vincentius Scherfede, das Jugenddorf Petrus Damian und die Kita Alsternest, die an den fünf Tagen mit unterschiedlichen Gruppen in die Turnhalle gekommen waren. Für die HEPler*innen die beste Gelegenheit, ihr Projektarbeitswissen in die Praxis mit echten Klient*innen umzusetzen.

Künstlerisch, tierisch, tänzerisch und sportlich

Abgeholt wurden diese an der „Gangway“, wo sie ihren Dreiländertrip starteten. In Frankreich ging’s ins Künstleratelier. Mona Lisa wartete auf Verschönerung. Mit Malstiften und vielen bunten Accessoires zum Aufkleben bekam die Malvorlage ihren individuellen Feinschliff. Viel Kreativität und Feinmotorik bewies beispielsweise die Künstlerin, die ihrer Mona Lisa mit kleinen Steinchen eine aufwendige Krone aufsetzte. Die Station war auch für Überraschungen gut. Ein Klient malte so gut, dass selbst sein Betreuer verblüfft war, der nichts von dem verborgenen Talent seines Klienten gewusst hatte.

Verborgen hatten sich neun Tiere hinter den Safari-Kulissen in Südafrika. Ausgestattet mit Digitalkameras versuchten die Safarireisenden die exotischen Tiere zu „erwischen“. Da zeigte sich unter anderem das scheue Erdmännchen, eine wilde und zugleich schüchterne Schlange, ein verrückter Affe oder ein brüllender Löwe – alles in Plüsch. „Was kann man machen, wenn ein Löwe brüllt?“ – Zurückbrüllen, lernten die Safari-Expediteur*innen. „Was kann man tun, damit sich der Affe streicheln lässt?“ – ein Schlaflied singen. Und so sah man ein manch glückliches Gesicht nach einer Streicheleinheit bei den Kuscheltieren.

HEP bietet eine große Bandbreite

Juchzend ließ sich eine Klientin im Rollstuhl zu ihren Mitbewohnerinnen fahren, die sich in Brasilien von den schwungvollen Rhythmen hatten anstecken lassen. Auf und an der „Tanzmatte“ bot sich ein Kaleidoskop an musikalisch-körperlichen Ausdrucksformen, je nach Beweglichkeit: Es wurden Pompons gewedelt oder einfach nur geklatscht oder mit den Füßen gewippt, ein paar Drehungen gewagt oder kräftig die Hüften geschwungen. Und allen war die Freude ins Gesicht geschrieben. Wer es lieber sportlich mochte, testete seine Treffsicherheit beim Spikeball oder Sitzfußball. 

Seinen Tastsinn stellte man an der Fühlbox auf die Probe. Und in der Schminkecke konnte man sich nochmal aufhübschen lassen – zum Beispiel für ein Erinnerungsfoto. An der Fotostation wartete eine Auswahl unterschiedlicher „Kopfkostüme“ darauf, vor dem Greenscreen in Szene gesetzt zu werden. Per Tablet wurde flugs der grüne Hintergrund gegen eine gewünschte Kulisse ausgetauscht. Mit dem ausgedruckten Bild ging es ins französische Künstleratelier zurück, um das Passepartout mit ausgewählten Accessoires zu dekorieren. Zur Belohnung lockten Crêpes.

„Hier sind trotz aller Unterschiede alle eins“, sagt eine der HEPlerinnen über das Erfolgsrezept der inklusiven Projektwoche mit ihren niedrigschwelligen und anpassungsfähigen Angeboten. Ihr persönliches Highlight: „Wenn die Klient*innen lächeln und ausgelassen sind.“ Das spiegelten auch die Träger zurück, von denen positive Rückmeldungen kamen. Die Aufgabe, gemeinsame Angebote für die ganze Bandbreite der Zielgruppen der Heilerziehungspflege zu finden, wurde gemeistert. Auch für die HEPler*innen selbst ein Gewinn: „Die Projektwoche hat die Auszubildenden erleben lassen, wie vielfältig das Berufsbild der Heilerziehungspflege ist“, sagt Lehrerin und Projektkoordinatorin Christiane Leck.