Die Arbeit mit „Systemsprengenden“ wird zum „Abenteuer“

Start-off-Projekt hat sein eigenes Escape Game

Geheimagent*innen sind auf dem Weg zum Kolping Gutshof. Ihre Mission: Unterlagen des Start-off-Projekts zu stehlen. Sie sollen später als eigene Erkenntnisse verkauft und nur einem ausgewählten Kreis zur Verfügung gestellt werden. Das Gutshofteam hat Wind davon bekommen und alle seine Dokumente sicher in einer Kiste versteckt. Fach- und Lehrkräfte, die den Fundus für ihre eigene Arbeit gut gebrauchen können, müssen einige Rätsel knacken. Erst mit einem vierstelligen Code öffnet sich die Truhe. Die Ausbeute: professionelle Materialien, praktische Impulse, bewährte Methoden und wichtige Erkenntnisse für die Arbeit mit Jugendlichen, die das System Schule herausfordern. Das Escape Game stammt aus der Ideenschmiede von Carolin Amthor-Bröker und Mareike Gördemann. Ursprünglich für eine Lehrerfortbildung in Münster entwickelt, hat sich die innovative Lernmethode auch schon bei anderen Anlässen bewährt. Künftig könnte sie den Methodenkoffer im pädagogischen Alltag auf dem Gutshof um eine originelle Variante erweitern.

Das Kolpinghofteam hat den Geheimagent*innen ein Schnippchen geschlagen und die heißbegehrten Dokumente in einer Truhe verschlossen. Bei ihrem Warm-up für das neue Start-off-Jahr haben sie das Escape Game selbst ausprobiert. Das Kolpinghofteam hat den Geheimagent*innen ein Schnippchen geschlagen und die heißbegehrten Dokumente in einer Truhe verschlossen. Bei ihrem Warm-up für das neue Start-off-Jahr haben sie das Escape Game selbst ausprobiert. Foto: Jana Sudhoff

Nutznießer des Start-off-Games war das Kolpinghofteam in zweifacher Hinsicht. Die Mitarbeitenden haben das Abenteuer nicht nur selbst gespielt, sondern haben damit auch eine Blaupause für ihren eigenen pädagogischen Alltag auf dem Hof an der Hand. Vielleicht auch eine Inspiration für andere Lehrkräfte im Kolping Schulwerk, ein Escape Game als Lernmethode ins Klassenzimmer zu bringen?

Beim Warm-up für das neue Start-off-Jahr hatte Carolin Amthor-Bröker ihre Kolleg*innen in den Wettlauf gegen die Geheimagent*innen geschickt. Es galt vier Stationen zu meistern. Inhaltlich drehte es sich bei den Challenges um Ressourcenorientierung, Werkpädagogik, Lebensweltorientierung und tiergestützte Pädagogik. Die Fallstricke: Spiegelverkehrte Wörter mussten entziffert, ein zwölfteiliges Kreuzworträtsel gelöst, versteckte Begriffe in einem Gitterrätsel aufgespürt und ein Wissens-Chat gemeistert werden.

Einblicke in die Facetten auf dem Kolpinghof

Eine Stunde haben die Escaper*innen Zeit, sich in Kleingruppen die vier Ziffern für das Zahlenschloss an der Truhe zu erspielen. En passant bietet das Escape Game Einblicke in die verschiedenen Facetten der Arbeit mit den Jugendlichen auf dem Kolpinghof. Man lernt anhand des Fallbeispiels von Cindy M. zwei Praxismethoden kennen, um ihren Ressourcen, sprich Stärken, Möglichkeiten und Potenzial, auf die Spur zu kommen. Vertraut machen kann man sich in dem Zuge mit dem Ich-Kreis (soziale Ressourcen) und dem Ressourcen-Rucksack (persönliche Ressourcen), der interaktiv per App gepackt werden kann. Das fächerübergreifende Hühnerstallprojekt auf dem Gutshof vermittelt einen Überblick über die Anforderungen und Besonderheiten der Werkpädagogik: Aufgaben rund um Platzbedarf, Materialbedarf, Kosten, Hühnerhaltung, Arbeitssicherheit etc. reihen sich auf dem Arbeitsblatt aneinander. Ein Erklärvideo des Erzieherkanals hilft, sich ein Glossar der zentralen Begriffe der Lebensweltorientierung nach Hans Thiersch anzueignen. Warum bietet sich die Arbeit mit Jugendlichen, die das System Schule herausfordern, auf dem Bauernhof besonders an? Welche Rolle können die Tiere in der bindungsorientierten Arbeit mit Jugendlichen übernehmen? – Im Multiple-Choice-Wissens-Chat kann man sein Verständnis von tiergestützter Pädagogik auf den Prüfstand stellen oder vertiefen.

Escape Games selbst erstellen

Als Vertiefung eines Vortrags war das Escape Game ursprünglich auch gedacht – entstanden aus der Idee heraus, eine Präsentation methodisch vielseitiger zu gestalten. Der Ansporn der beiden Referent*innen aus dem Schulwerk bei der Lehrerfortbildung zum Thema „Die Arbeit mit Systemsprengern in der Kinder- und Jugendhilfe“ beim Institut für Lehrerfortbildung – eine Einrichtung der (Erz-)Bistümer in Nordrhein-Westfalen – war es, aus dem Raster eines Powerpoint-Vortrags auszubrechen und ihre Zuhörerschaft nach dem theoretischen Input aktiv einzubinden. „Im Internet findet man Anleitungen, wie man Escape Games selbst erstellen kann“, erklärt Carolin Amthor-Bröker, die das Escape Game zusammen mit Mareike Gördemann konzipiert und erstellt hat. „Für die einzelnen Aufgaben gibt es Tools, mit denen man selbst die gewünschten Rätsel programmieren kann“, ergänzt Carolin Amthor-Bröker. Für das Start-off-Game haben die beiden die Tools Suchsel, Learning Snacks und XWords, die Plattform „überaus“ und Word benutzt. Rund eine Woche hat das Unterfangen – Vortrag und Escape Game – in Anspruch genommen.

Escape Game hat Benefit für den Gutshof  

„Die intensive Arbeit hat sich auf jeden Fall gelohnt“, betont Carolin Amthor-Bröker, die das Escape Game auch bei einem Arbeitstreffen mit Schulsozialarbeiter*innen im Kreis Höxter ausprobierte. Mit dem Escape Game habe man etwas Bleibendes in der Hand, das durch neue Aufträge modifizierbar und auf unterschiedliche Zielgruppen anpassbar sei. „Es ist eine total geniale Form, Inhalte zu vermitteln“, schwärmt sie. Es aktiviert und motiviert durch seinen Rätselcharakter, fördert die Selbstständigkeit, den Teamgeist, das autonome Vorgehen, die Absprache und den Austausch.

Für die Leiterin der Start-off-Maßnahme sind Escape Games daher auch eine gute Methode für die Arbeit mit den Jugendlichen auf dem Gutshof. „Als außerschulischer Lernort ist es uns wichtig, dass wir immer wieder neue Wege finden, um uns von anderen Lern- und Schulmethoden zu unterscheiden“, freut sie sich, ihrem Team eine neue methodische Anregung als Vorlage geben zu können. Das Team war beim Warm-up begeistert – auch inhaltlich und in puncto Teambuilding: Es war interessant, das Start-off-Projekt einmal aus der Außenperspektive wahrzunehmen und die theoretischen Ansätze zu reflektieren. Zudem war es ein gelungener Teamauftakt nach den Sommerferien und besonders für die beiden neuen Praktikantinnen ein hilfreicher Einstieg ins Anerkennungsjahr.

 

Die Tools zum Erstellen der Rätsel:

Gespiegelter Text: 3D-Drehungsoptionen gibt es bei Word
Gitterrätsel: https://www.suchsel.net/
Wissens-Chat: www.learningsnacks.de
Kreuzworträtsel: www.xwords-generator.de/de
Ressourcen-Rucksack: www.ueberaus.de/wws/reflexionsmodule