Outdoor-Schach à la Haute Couture
„Start-off“-Jugendliche verleihen ihrem Spiel eine individuelle Note
Der Kolping Gutshof in Großeneder wird um einen Blickfang reicher. Die Jugendlichen aus der „Start-off“-Maßnahme arbeiten derzeit an einem Outdoor-Schachspiel, das den Garten aufwerten soll. Dabei werden in ihrer Variante Bauern, Läufer, Springer & Co. nicht in schlichtem Schwarz und Weiß auf dem Schachbrett stehen. Die Schüler*innen geben ihren Spielfiguren eine ganz individuelle Note. Inspiration haben sie sich bei einer Modelegende geholt. Besonders ist auch die fächerübergreifende Zusammenarbeit, die das handlungsorientierte Projekt erst möglich macht.
Ein Outdoor-Schachspiel mit individueller Note entsteht auf dem Kolping Gutshof in Großeneder. Inspiration für die Upcycling-Spielfiguren holen sich die Jugendlichen bei einer Modeikone.
Die zündende Idee für das Projekt ergab sich aus zwei Leidenschaften: aus dem Interesse eines Schülers am Schachspiel und der Faszination einer Schülerin für den britischen Modedesigner Alexander McQueen. Seine extravagante Mode und aufsehenerregenden Laufstegshows hatten die Schülerin derart gefesselt, dass sie für den „Start-off“-Kurs im Englischunterricht eine Präsentation zum Leben und Schaffen Alexander McQueens vorbereitet hatte. Die Initialzündung für das eigene Schachspiel: die vom Schachspiel in „Harry Potter und der Stein der Weisen“ inspirierte Show McQueens „It's Only a Game“ (2005). „In dem Moment ist die Idee für unser Schachspiel mit selbst designten Figuren entstanden“, erinnert sich die Schülerin. Seitdem wird parallel zum Schachbrettbau im musisch-kreativen Bereich upgecycelt.
„Jede*r ist anders“
Aus 32 Waschmittelflaschen werden Bauern, Läufer & Co. In Pappmaché-Ummantelung gehüllt, bekommen sie bald ihre Kleider. Wiederfinden werden sich darauf berühmte Motive Alexander McQueens. So soll beispielsweise der stilisierte Totenkopf – eines von McQueens berühmtesten Motiven – die Schachfiguren zieren. Wer mit Alexander McQueens Mode ad hoc keine Assoziationen verbindet: Vielleicht ist „Tribute-von-Panem“-Liebhaber*innen das Schmetterlingskleid der Effie Trinket in Erinnerung geblieben. Kostüme und Outfits von Alexander McQueen konnte man auch bei den Auftritten von Popsängerin Lady Gaga bewundern.
Bewunderung erntete Alexander McQueen in der Modewelt auch für seine Frühjahrskollektion 2005. Ein sorgfältig gefertigtes Kunstwerk war jedes einzelne der 32 Models, die die Show in ein Live-Schachspiel verwandelt hatten. Jedes Ensemble symbolisierte eine Schachfigur. „Kein Model sah aus wie das andere“, beschreibt die McQueen begeisterte „Start-off“-Teilnehmerin. „Auch jede*r von uns ist anders. Jede*r hat seine*ihre eigenen Probleme. Genau das verbindet uns“, erklärt sie das besondere Setting auf dem Gutshof. Dazu passt die Mode des Designers, dessen Leben von vielen Höhen und Tiefen sowie persönlichen Problemen geprägt war. „Auch seine Mode war nie symmetrisch, nie perfekt.“
Lerneffekt stammt aus der Realität
Mit Symmetrie mussten sich die Jugendlichen dennoch beschäftigen. Zusammen mit Mathematiklehrer Viktor Schmidt haben sie das Schachbrett gebaut und dabei die technischen Parameter in den Blick genommen. Für das handlungsorientierte Projekt mussten beispielsweise die Platten und Figuren im Maßstab aneinander angepasst und die Platten auf einer ebenen Fläche passgenau verlegt und mit Sand verdichtet werden. Gar nicht so leicht: Beispielsweise waren nicht alle Flächen auf Anhieb richtig ausgestanzt – mal ein Ticken zu klein, mal zu großzügig ausgehoben im Vergleich zu den anderen. Die Herausforderungen und Schwierigkeiten gehören zum gewollten Lerneffekt. Wie gehe ich damit um? Was kann ich langfristig verbessern? – Für Lehrer Viktor Schmidt hat die Prozesskompetenz den größten Stellenwert unter den Lernzielen: Die wichtigsten Erfahrungen, die die Schüler*innen aus dem Projekt mitnehmen können: in der Realität zu planen, durchzuführen, zu kontrollieren und nachzubessern. Und so sind in Teamwork aus den dunklen Patten und den Grünflächen dazwischen 64 Schachfelder entstanden. Platziert werden wird später noch ein QR-Code, der zur McQueen-Präsentation führen wird.
Spätestens zum Hoffest am Sonntag, 21. September, wird auch das Regal mit den Upcycling-Spielfiguren gefüllt sein. Dann können die Hoffestbesucher*innen das Resultat nicht nur bewundern, sondern selbst eine Partie spielen. Vielleicht hat bis dahin die Schachbegeisterung auf dem Gutshof schon weitere Kreise gezogen und ist von unserem schachaffinen Teilnehmer auf die anderen „Start-off“-Jugendlichen oder die Mitarbeitenden übergesprungen.